Vorgang:
Der siebengeschossige Neubau der Verwaltungszentrale einer Drogeriemarktkette wurde im Rohbau als Stahlbeton-Skelettbau unter Verwendung von Stahlbeton - Fertigteilen und Ortbeton -
Bauteilen erstellt.

Tragwerkskonzeption:
Das Gebäude wird über Decken- und Wandscheiben aus Stahl-
beton ausgesteift. Die Stahlbeton-Fertigteilstützen sind im Endzustand am Fußpunkt als gelenkig gelagert idealisiert.  

Im Montagezustand werden die Stahlbeton-Fertigteilstützen durch
die Einspannung in die Köcherfundamente stabilisiert.

Sachverhalt:
Die Stahlbeton-Fertigteilstützen mit einer Länge von 29,135 m wurden am Schadenstag mit einem Mobilkran in die aus Ortbeton hergestellten Köcherfundamente eingestellt.
Dabei wurde die in den Stützenfüßen eingebauten Zentrierhülsen über einen am Köcherfuß eingebauten Dorn gestülpt.
Die Stützen wurden danach mittels Holzkeilen, die zwischen Stütze und Köcherwandung eingetrieben wurden, ausgerichtet und fixiert. Anschließend wurden die Köcher einige Zentimeter hoch mit Beton verfüllt. Nach Abkopplung vom Mobilkran wurden die Stützen nochmals auf ihre vertikale Lage kontrolliert und anschließend die Köcher mit Beton vergossen.

Eine nochmalige Kontrolle der Stützen nach dem Betonverguss ergab bei der umgekippten Stütze eine Abweichung von der Vertikalen um etwa 3 cm. Beim Versuch, diese Abweichung auszurichten, platzte der obere Rand des Köchers ab. 

Die Stütze konnte aufgrund der abgeplatzten Wandung nicht mehr
im Köcher gehalten werden und stürzte auf den Mobilkran.

Vor Ort zeigte sich, dass in den oberen 16 cm keine Köcherbewehrung vorhanden war, obwohl diese nach den Konstruktionsplänen des Ingenieursbüros vorhanden hätte sein müssen.

Grund war, dass im Rahmen der Bauausführung die Fundamentplatte nachträglich um 10 cm tiefer gesetzt wurde. Die Oberkante der Köcher wurde jedoch beibehalten.
Verschiedene Kommunikationsprobleme führten dazu, dass die Bewehrung der Köcherfundamente nach den alten Planunterlagen gefertigt und auf der Baustelle eingebaut wurde.
Die vertikal angeordneten gebogenen Bewehrungseisen (Vertikal-Bügel) waren damit für die neue Höhe der Köcher zu kurz. 

Gutachterliche Stellungnahme:                  
Der Bauzustand beim Aufstellen der Stützen ist nicht nachge-
wiesen worden. Die Nachberechnung ergab jedoch, dass die planmäßig vorhandene Bewehrung in der Köcherwand auch für
den Montagezustand ausreichend gewesen wäre.

Die Abweichung der Stütze von der Vertikalen, die nach Verfüllen
der Köcherwandungen mit Beton festgestellt wurde, resultiert aus den erhöhten Kriechverformungen des Betones ohne Bewehrungseinlage unter Last. Bei mangelfreier Bewehrung der Köcherwandungen wäre diese Abweichung nicht aufgetreten. 

Beim Versuch, die Stütze nochmals auszurichten, wurden die aufnehmbaren Betonzugspannungen überschritten, was zum sofortigen Abplatzen der unbewehrten Köcherwand führte.
Ohne das Nachtreiben der Holzkeile wäre die Stütze einige Zeit später umgefallen, da die Kriechverformungen der Köcherwand zugenommen hätten. Damit hätten sich die Auslenkung der Stütze und die Horizontalkräfte auf die Köcherwand bis zum Bruch des Köchers vergrößert.

Ursächlich für das Versagen war die fehlende Horizontal- und Vertikalbewehrung in den oberen Bereichen der Köcherwände.